Wenn es keine Fallbeispiele gibt, produzieren wir uns unsere eigenen – studentische Videoproduktion zum Erwerb von Handlungskompetenzen
Für zukünftige Lehrkräfte wird es immer wichtiger in Situationen, in denen die Diversität der Lernenden eine entscheidende Rolle spielt, souverän reagieren zu können. Aktuell gibt es in der Lehramtsausbildung wenig Anschauungsmaterial, mit dem die Studierenden solche Handlungskompetenzen erwerben können. Deswegen haben unsere Digital Fellows Jun.-Prof. Dr. Katrin Hahn-Laudenberg und Jun.-Prof. Dr. Nina Simon zusammen mit Korcan Yeşil als wissenschaftlichem Projektmitarbeiter und Nicolas Rother als wissenschaftlicher Hilfskraft von der Universität Leipzig ein Konzept entwickelt, wie sie mit ihren Studierenden eigene Lernmaterialien erstellen können. Die Studierenden erstellen Animationsvideos für typische Situationen, die dann als OER-Materialien veröffentlicht werden sollen. Im Interview berichten die Digital Fellows, wie weit die Umsetzung des Konzepts bereits fortgeschritten ist und welche Rückmeldungen sie von den Studierenden erhalten.
Können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihr Konzept geben ?
Jun.-Prof. Simon: Unser Projekt DAWLS (Diversitätsreflexive Aus- und Weiterbildung von (angehenden) Lehrpersonen mithilfe animierter Schulszenen) besteht aus zwei Phasen: Während im Projektseminar im WiSe 22/23 die diversitätsreflexive Erstellung von Medienpaketen im Fokus steht, erproben die Studierenden ab dem SoSe 23 ausgewählte Arbeitsprodukte, gestalten sie um und schulen dadurch ihre für den Lehrberuf erforderliche diversitätsreflexive Modifikationskompetenz. Zur zielgerichteten Arbeit mit der Situation im Animationsvideo erarbeiten wir mit den Studierenden zusätzlich Analyse- und Reflexionsaufgaben sowie eine Handreichung, die Dozierenden in weiteren Lehrveranstaltungen Hinweise zu den Nutzungsmöglichkeiten des Videos und der Aufgabenstellungen geben. Video, Aufgaben und Handreichung bilden zusammen jeweils ein Medienpaket.
Wie kommen die Studierenden mit der Aufgabe zurecht?
Herr Yeşil: Den ersten Ergebnissen zu urteilen nach gut. Deutlich wird aber, dass die Erarbeitung der Seminarinhalte intensiv und das Themengebiet komplex ist. Eine besondere Herausforderung ist es dann, diese Inhalte auf das Videoformat zu übertragen und entsprechende Aufgaben zu erstellen. Insgesamt war es im derzeitigen Seminar womöglich zu viel Inhalt für zu wenig Zeit (es handelte sich um eine 2 SWS umfassende LV), um die unterschiedlichen Vorwissensbestände anzugleichen.
Wie schätzen Sie die Qualität der Videos ein?
Jun.-Prof. Hahn-Laudenberg: Bislang ist erst ein Teil der Videos vorgestellt worden. Die Videos haben unterschiedliche inhaltliche und visuelle Qualität. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit für die Auseinandersetzung mit Fragen zur Gestaltung von Diversität waren bereits sehr erfreuliche Ergebnisse dabei. Mit dem Grafik-Tool Canva lassen sich keine hochprofessionellen Videos herstellen, eher Stop-Motion-Videos. Canva ist gleichzeitig kein Selbstläufer, sondern es bedarf einer stärkeren technischen Anleitung. Es geht in unserem Projekt auch nicht darum, professionelle Videos herzustellen, sondern angehenden Lehrkräften – als Vorbereitung auf die zukünftige Praxis – die Möglichkeit zu eröffnen, auch zukünftig Lehr-/Lernmaterialien digital zu gestalten und dabei auch Fragen von Visualisierung im Kontext von Diversität zu berücksichtigen.
Worauf müssen Sie achten, wenn die Materialien als OER veröffentlicht werden sollen?
Herr Yeşil: Zum einen ist das Einverständnis der Studierenden zur Weiterarbeit mit den Videos durch das Projektteam sowie durch Dritte erforderlich. Zum anderen sind die Lizenzvereinbarungen der von uns genutzten Software Canva zu beachten. Demnach dürfen wir lediglich die kostenlosen Canva-Elemente nutzen, die jedoch so zusammengestellt werden müssen, dass sich ein einzigartiges Design ergibt. Dazu ist ausreichend, dass mindestens zwei Elemente auf der Arbeitsfläche von Canva zueinander in Beziehung gebracht werden. Also ist die Lizenzhürde im Fall von Canva sehr niedrig. Außerdem muss beachtet werden, dass die Videos in einem Lehr-/Lernkontext veröffentlicht werden, um zu gewährleisten, dass die Darstellung von Diversität reflektiert werden kann.
Wo stehen die Materialien zur Verfügung und wer kann diese nutzen? Wie können sie von anderen eingesetzt werden?
Herr Rother: Ab September 2023 stehen die Materialien etwa auf EDUdigitaLE/PraxisdigitaliS und weiteren Portalen zu Verfügung und können von allen genutzt werden, die auf diese Portale Zugriff haben. Die Materialien können in der dort veröffentlichten Form, aber auch modifiziert eingesetzt werden.
Können Sie das Vorgehen auch anderen Lehrenden empfehlen?
Jun.-Prof. Hahn-Laudenberg & Jun.-Prof. Simon: Dazu lässt sich zum momentanen Zeitpunkt noch keine aussagekräftige Einschätzung abgeben, denn die Arbeit mit den Videos wird erst im SoSe 23 erprobt. Für das bisherige Vorgehen im WiSe 22/23 können wir allerdings bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine stärkere Fokussierung des Seminarinhalts empfehlen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass zu wenig Zeit für die Gestaltung der videogestützten Lehr-/Lernmaterialien bleibt. Auch die Einführung von voraussetzungsvolleren Aufgaben für Studierende mit in diesem Bereich fortgeschrittenen Wissensbeständen erscheint uns sinnvoll.